Sektenfieber? – Kalter Kaffee!


„Bis nichts mehr bleibt“ – der mit großem Medienspektakel ausgestrahlte ARD-Spielfilm zu Scientology enttäuschte auf der ganzen Linie. Der Versuch, die Sekte zu dämonisieren auch.


Ein schwacher Plot, mäßige bis schlechte Schauspieler und 8,69 Millionen Zuschauer, die keine neuen Enthüllungen zu sehen bekamen:

Junges Paar gerät in die Hände einer Sekte, wird ausgenommen und schließlich trennt man sich. Der Aussteiger wird unter Druck gesetzt, um das  gemeinsame Kind wird gestritten, ein guter und ein böser Anwalt sind noch mit von der Partie und auch die Oma und der Opa dürfen nicht fehlen.

Am Ende schaut der Aussteiger dumm in die Röhre und die Mama behält ihr Kind und darf weiter ihrem Aberglauben frönen.

Wenn das nun Scientology vom Feinsten war, dann müssen künftig die Zeugen Jehovas ebenso wie die Neuapostolen, diverse andere evangelische Freikirchen sowie die katholische und evangelische Kirche unter Verfassungschutzbeobachtung gestellt werden.

Wie im anschließenden Plasberg-Talk  Pfarrer Fliege völlig zu Recht argumentierte, werden die Methoden, Kinder und Jugendliche an sich zu binden (Abenteuerpädagogik, Vertrauensspiele etc.) überall angewandt. Ob in der Jungschar, in der Pfadfinderkluft oder in irgenwelchen links-oder rechtsdrehenden  politischen Jugendverbänden.  Hauptsache ist dabei, die  Augen schließen zu können, Geborgenheit zu erfahren, sich  beschützt und aufgehoben zu fühlen und Gemeinsamkeit zu erleben.

Und die Sache mit der ständigen Wiederholung von Fragen, der Eintrichterung von  Glaubensbekenntnissen (in diesem Fall von L. Ron Hubbard):  Jeder Konfirmant bekommt das „apostolische Glaubensbekenntis“ im zarten Alter von 14 Jahren ein Jahr lang eingebläut und sollte es – ginge es nach der evangelischen Kirche – sein Leben lang nicht mehr vergessen.

Während die Scientologen Aussteiger und Zweifler befragen (auditieren), hat die katholische Kirche die Beichte.  Zu empfehlen ist hier die Seite: www.beichte.de – Online mit Jesus. Da wird nach Vorsatz und wirklicher Reue gefragt, und die Karl-Leisner-Jugend weiß auf ihrer website zu berichten:

„auf Weltjugendtagen, Night-Fever-Nächten, Prayerfestivals und auf Wallfahrten zeichnet sich eine bemerkenswerte Trendwende ab: Menschen – vor allem Jugendliche – stehen stundenlang Schlange, um zu beichten. “

Wie unschwer zu erkennen ist, fischen auch die großen Kirchen mit auf Jugendliche zugeschnittenen „Night-fever-Nächten“ (Nachtfiebernacht, so ein nonsense!) nach neuen Gläubigen, Kirchensteuerzahlern und Spendern.

Sollte der ARD-Abend dazu dienen, die Zuschauer vor der perfiden Church-of-Scientology zu warnen und sie auf deren ausgefeilte Anwerbestrategie vorzubereiten, so ging der Schuß vollends nach hinten los, als bei „Hart, aber fair“ nicht nur ein ach so menschlich anmutender Scientology-Titan (so bezeichnen sich die Sektierer selbst) auftrat, sondern ein halblebiger Aussteiger, der wohl nur ausstieg, weil er durch das ständige Auditing und Clearing seinen Krebs nicht loswurde, auch nichts Erhellendes zum Schreckensbild beitragen konnte.- Außer daß die Dianetiker gut bis sehr gut im Geldabzocken sind.

Souverän einzig die Sekten-Expertin Sabine Riede, die klar und  sachlich fundiert den Aussagen des Sekten-Gurus Stettler widersprach.

Alles in allem bot aber Plasbergs Talk vor allem ein Forum für Scientology selbst, die, sollte man es bisher noch nicht gewußt haben, so dämonisch oder schrullig sind wie die Zeugen Jehovas, die keine Geburtstage und andere Familienfeste feiern dürfen und zum Verkauf des „Wachturms“ an allen Straßenecken der Welt gezwungen werden, weil Ihnen sonst die ewige Verdammnis droht.

Es ist halt eine allzu amerikanische Möchtegern-Kirche, die auf der Basis des klassischen Kapitalismus (ausbeuten, Mehrwert abschöpfen, reich und mächtig werden) sowohl Erfolg suchende Männer wie auch nach Perfektion suchende Frauen in etwa zu gleichen Teilen anspricht.

Nichts Neues, alles kalter Kaffee.

Über hermanitou

I believe in evolution of all creatures. All creatures are equal. Man is rational. Love is essential. War is evil. Religion can be a value for some men or women, but without political or moral power. Everyone is free but responsible. Slavery is a crime!
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9 Antworten zu Sektenfieber? – Kalter Kaffee!

  1. John Older schreibt:

    Danke für den Kommentar. Doch über die Zeugen Jehovas wissen Sie herzlich wenig. Somit kommen auch bei Ihnen in dieser Sache schlecht recherchierte Aussagen rüber. Dieser Vergleich hinkt.
    Damit stellen Sie sich hier auf die gleiche Ebene wie das, was Sie im Fernsehen kritisieren. Schade.

    Bezieht sich auf Ihre folgenden Aussagen:

    „Zeugen Jehovas, die keine Geburtstage und andere Familienfeste feiern dürfen und zum Verkauf des “Wachturms” an allen Straßenecken der Welt gezwungen werden,“

    „weil Ihnen sonst die ewige Verdammnis droht“

    Prüfen Sie bitte. Niemand wird GEZWUNGEN. Was verstehen Sie unter „Ewiger Verdammnis“ in diesem Zusammenhang?

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    • bandit schreibt:

      Natürlich feiern die Zeugen jehovas keine Feste. Und den Wachturm müssen sie auch verkaufen. Ob ihnen wirklich ewige Verdammnis droht, weiß ich nicht, aber daß die Mitglieder unter starkem Druck sind, das ist eine schlichte Tatsache.

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  2. John Older schreibt:

    Der Wachtturm ist WELTWEIT kostenlos!!!
    Auflage 39 601 000 in 180 Sprachen.
    Die andere SCHLICHTE TATSACHE ist SCHLECHT recherchiert und lediglich Hörensagen, jedoch kein Wissen.

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    • bandit schreibt:

      Ich kenne genug Kinder, deren Eltern bei den Zeugen Jehovas sind, um beurteilen zu können, wie stark sie und ihre Eltern unter Druck stehen. Das IST eine schlichte Tatsache aus meinem Leben.

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  3. Eckard Jonalik schreibt:

    Schon gestern Abend verspürte ich den Wunsch, mich zu all dem zu äußern, was ich bei „hart aber fair“ erlebte.
    Das Ganze, der Film und speziell die Diskussion, ließen mir keine Ruhe und darum suchte ich jetzt im Internet eine Möglichkeit, dass das, was in mir ist, los zu werden.
    Dabei kommt es mir nicht darauf an, bei wem ich es tue. Ging es gestern doch darum, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. So bin ich halt hier gelandet. Es wird schon seine Richtigkeit haben.

    Die Sienctology wird meines Erachtens behandelt wie die Manifestation des Bösen.
    Schaue ich aber in die Geschichte, so floss da Blut von Millionen, wenn nicht Milliarden, vergossen von Kirchen aller Art, die heute naserümpfend auf eine Konkurrenz zeigen, während sie mit rüden Methoden weltweit selber missionieren.

    Dazu gibt es unzählige Sekten, die das, was der Scientology vorgeworfen wird, auch tausendfach praktizieren. Da erscheint mir die Scientology doch nur wie ein sanftes Säuseln.
    Und ich frage mich, warum stürmen da so viele scheinbar intelligente Menschen auf die Scientology ein? Suchen sie vielleicht auch und erhoffen sich durch provokante Vorwürfe nur eine Antwort?

    Es ist nun fast zwanzig Jahre her, da betrat ich das Gebäude der Scientology in Hamburg. Durch Trennung von meinen Kindern und einer Frau, die ich gern hatte, dem gleichzeitigen Zusammenbruch meiner beruflichen Kariere und einem finanziellen Fiasko, war ich schwer getroffen. Ich spürte, mir kann hier kein Therapeut mehr helfen, was ich brauchte, war seelische Hilfe.

    Ich wurde freundlich begrüßt und füllte die Bögen mit Fragen aus, die man mir hier gab. Bei der Beantwortung aber erkannte ich die Schwachpunkte dieser Fragen und bis gestern begriff ich nicht, wie ein intelligenter Mensch, auch wenn es ihm nicht gut geht, glaubt, dass ihm hier Hilfe zu Teil werden kann. Zu mindest war dies damals meine Meinung.

    Gestern schaute ich in der ARD erst den Film, dann „hart aber fair“.

    Was mir auffiel war das viele Pro und Kontra. Kein aufeinander Zugehen. Es gab keinen wirklichen Dialog. Keine Fragen, um den Anderen zu verstehen, nur gegenseitigeVorwürfe. Pastor Fliege, meines Erachtens der intelligenteste in der Runde zusammen mit dem Pressesprecher der Scientology, wagte kleine Ansätze, liebevoll vom letzt genannten Angenommen. Doch dieser verteidigte sich immer wieder vor der seiner Meinung nach, ungerechten Kritik.

    Hat es denn eine wirklich gottnahe und ehrliche Religion oder Kirche nötig, sich zu rechtfertigen oder wo vor hat sie Angst? Würde sich Gott je in irgend einem Aspekt seiner Selbst verleugnen oder „Recht“ fertigen?

    …..ich spinne einen zeitliche Bogen.
    Vor Jahren hatte ich ein recht prägnantes Erlebnis in Delhi. Ein bekannter Guru wurde siebzig und darum fand ein rauschendes Fest statt – ein Puja.
    Ich war extra dort, um für ein Magazin zu fotografieren.
    Unmittelbar vor dem Puja wurde mir mitgeteilt, dass ich aus Gründen, die ich sofort als Angst des Gurus interpretierte, trotz Einladung vor der Anreise und gegen jede vorherige Absprache, nicht bei dem Fest anwesend sein sollte.

    Ich lies dem Guru durch seine engsten Vertrauten mitteilen, dass wenn er wirklich so stark ist, wie seine Yogis von ihm berichten, ich seine Angst nicht verstehen kann und dass ich zu tiefst enttäuscht von ihm bin. Was ich damals auch wirklich war.
    Kurz danach durfte ich zum Fest. Ich stellte mich direkt vor ihn, in meinem Rücken hatte ich über fünftausend Yogis aus der ganzen Welt und fotografierte ihn eine Zeit lang. Ich demütigte ihn, glaube ich heute und hatte keinen Freund gewonnen. Ich besuchte ihn ein wenig später noch ein Mal zu Hause in seinem Tempel – er wirkte sehr unsicher und zerfahren.

    Das mein Vorgehen ihm gegen über ein großer Fehler von mir war, stellte sich heraus, als ich wieder Daheim war. Spirituelle Energien sind auch einzeln von Gott gelöst angewendet, sehr stark. Heute begreife ich ein wenig mehr davon.

    ……..

    Doch bevor ich mich hier weiter auslasse, würde ich mir eine Resonanz wünschen, denn ich kenne mich mit all der Technik und den Spielregeln im Internet nicht besonders gut aus und es wäre zu schade, nur Gott als Zeuge meiner Zeilen zu haben – obwohl ?

    Eckard Jonalik

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    • bandit schreibt:

      Hallo Herr Jonalik,
      danke für Ihr Feedback. Wie Sie ja gelesen haben, glaube ich, daß Scientology am Mittwoch nach Punkten gesiegt hat, denn die Dämonisierung ist nicht gelungen. Das liegt aber nicht daran, daß Scientology irgendwie gut ist, im Gegenteil. Vermutlich arbeiten sie wirklich mit viel Druck bis hin zur Gehirnwäsche und es ist bestimmt schwer, dort wieder auszusteigen.
      Zu kritisieren ist schlicht und einfach, daß die „Aufklärer“ entweder kein gutes Material hatten oder dieses sehr schlecht darstellten.
      Resonanz im Internet – ja, nicht ganz einfach. Auch hier in den Blogs nicht. Aber ein Tipp:
      Schreiben Sie Ihre Meinung in einer Community, die von den großen Zeitungen (Süddeutsche etc.) im Netz sind. Dort kommen Diskussionen am Besten zustande. Ich selbst schreibe bei „der freitag“ (Wochenzeitung) mit meinem Nickname „hermanitou“. Ist eine prima Sache.
      Beste Grüsse
      Bandit

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  4. religo schreibt:

    @bandit
    Ja, die angestrebte Dämonisierung ist nach ersten Erkenntnissen vollständig gescheitert. Dass einige Scientology Gegner durch den Film trotzdem viel Wasser auf die eigenen Mühlen lenken können halte ich aber auch für bestätigt.

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  5. Caberkid schreibt:

    Geiler Blog, ich werde noch öfters hier her surfen.

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  6. Peter schreibt:

    Zum Film „Bis nichts mehr bleibt“ gibt es einen guten Artikel der Zeit Online vom 1. April 2010: http://bit.ly/15AUILD

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