Den neuen Zauberstab, den der Erzbengel Gabriel aus seinem Taktikhut gezogen hat, heißt Volksabstimmung. Damit meint die SPD, das große Los gezogen zu haben und immer im richtigen Mainstream des gesunden Volksempfindens mitschwimmen zu können.
Während sich in der Sache Stuttgart 21 die Retroromantiker und die grüne Schickeria samt einigen Anhängeseln der Blut-und-Boden-Ideologen gerade Verdienste erwerben, die gesamte Region Oberschwaben samt Stuttgart langfristig von der globalen Verkehrsentwicklung abzuhängen und der ökonomischen Infrastruktur zwischen Ulm und Stuttgart den finalen Kopfschuß zu verpassen, schwenkt zum Entsetzen fast aller sozialdemokratischen Mandatsträger die Landes-SPD um und wankt wie ein Blatt im Wind, getrieben von der Sorge, die Wählermassen zu verlieren. Da nimmt sie dann eher in Kauf, daß der mit über 80% gewählte Ulmer OB Gönner die Partei verlässt (die Gerüchte wabern in diese Richtung) und der gradlinige Genosse Drexler die Stuttgarter Backsteinbrocken hinwirft.
Um ja nichts falsch zu machen, fordern die Genossen nun, das Volk solle entscheiden. Egal was rauskommt, die SPD ist dann fein raus und hält sich an Volkes Stimme. Deshalb nennt sie sich ja auch Volkspartei.
Dumm nur, daß die SPD im Ländle in Umfragen auf 21% heruntergekommen ist, weil sich auch die Schwaben und Gelbfüßler im Baden-Württembergischen nicht gerne für dumm verkaufen lassen wollen.
Und so soll nun auch Volkes Stimme bundesweit über die Kernenergie entscheiden. War schon der sofortige Ausstieg mit 30-jähriger Vorlaufszeit aus der rot-grünen Fischer/Schröder-Ära ein Ärgernis, so versucht sich nun auch Sigmar Gabriel aus der Verantwortung zu schleichen. Nach dem Motto: Entscheidet mal, wir ergreifen dann später Partei.
Das nenne ich bauernschlau.
In der Schweiz zündeln gerade Volksinintiativen am Verbot der Todesstrafe herum. In Hamburg haben die Dolce-Gabana- Eltern ihre rückgewandten Bildungsprivilegien verteidigt.
Nicht ohne Grund haben die Verfasser des Grundgesetzes Volkes Stimme mit höchsten Hürden versehen und No-go-Areas eingerichtet, die verhindern sollen, daß Hitlers Erben und heutige Volkstribunen ein erneutes Deutschland generieren, das die Welt wieder in Angst und Schrecken versetzt.
Wer also aus lauter bauernschlauem Opportunismus heute lautstark nach Volksabstimmungen ruft, braucht sich weder zu wundern, daß das Volk gegen ihn abstimmt, noch, daß die damit gerufenen Geister nicht wieder so einfach in der für sie vorgesehenen Flasche verschwinden werden.