Einmal mehr war die Schwörrede des Ulmer Oberbürgermeisters enttäuschend frei von Visionen und grundsätzlichen Ideen, wie denn eine Stadt, die doch etliche große Geister hervorgebracht und beherbergt hat, sich entwickeln könnte. Sie war von den üblichen Glückskeks-Sprüchen wie „Unsere Stadt braucht Euch“ oder „Das Erlernen eines Musikinstrumentes trägt zur gelingenden Entwicklung der Persönlichkeit bei“ geprägt. Ich hätte mir hingegen ein mutiges Vorwärtsdenken, gepaart mit einer Portion Selbstkritik an Kommunalpolitik und Stadtverwaltung, gewünscht.
Als „grandiosen Erfolg“ feiert Czisch so phantasielose und spiessige Aktionen wie das Aufstellen von 500 Einstein-Figuren auf dem Münsterplatz – als ob das irgendetwas mit dem Wissenschaftler und Antimilitaristen Albert Einstein zu tun hätte. Stattdessen wird Ulm zu einem bevorzugten Kriegsziel durch das NATO-Logistikhauptquartier.
Spiessig kommt Ulm schon lange daher – ob mit Schwanenfütterungsverbot, Schiffsschaukelverbot am Nabada oder demnächst mit einem Schwörmontags-TÜV. Das Reinbuttern von Geldern für eine Randsportart wie Basketball zeigt leider erneut, wie die unglücksselige Vereinsmeierei durch die Verknüpfung von Stadtratsmandaten und Vereinsvorständen funktioniert.
„Innovation, Offenheit, Neugierde und Weitblick sind daher die Leitlinien eines Ulmer Berblingerjahres auf der Suche nach den innovativsten Köpfen und pfiffigsten Ideen für die Zukunft“, merkt Czisch richtig an – nur wo ist der Weitblick jenseits von Wohnungsnot, Vereinsmeierei und einer Verwaltung, die sich ziemlich unverhohlen dem Immobiliemmarkt ebenso andient wie den Gastronomie-Monopolisten, die die Ulmer Kneipenszene beherrschen?
Ulms Brücken sind marode, und das nicht erst seit gestern. Es stellt sich die Frage, warum die Stadtverwaltung da jahrelang im Tiefschlaf war. Die Kanalisation im Ulmer Westen und am Kuhberg führt seit Jahren zu regelmässigen Kellerüberflutungen, die Stadtverwaltung tut nichts oder nur wenig. Die Wohnungsnot ist groß, die Mieten nahezu unbezahlbar. Wo bleibt ein Aktionsprogramm, um leerstehende Wohnungen und Immobilien wieder bewohnbar zu machen? Kurz war mal von kostenfreiem öffentlichen Nahverkehr die Rede – diese Idee verschwand (schade!) sehr schnell wieder in der Verwaltungsschublade. Von kostenfreien Kitas hingegen war in Ulm noch nie ernsthaft die Rede.
Zum geforderten Weitblick könnten auch Ideen für das Ulmer Wahrzeichen schlechthin dienen – warum macht man nicht das Ulmer Münster zum Treffpunkt für alle Religionen? Eine Kirche für alle – das wäre mal ein Zeichen, das sogar international als eine „pfiffige Idee“ für Aufmerksamkeit sorgen würde. Und wenn demnächst das Münster nicht mehr den höchsten Kirchturm der Welt besitzt, warum entwickelt man nicht Ideen, den Turm um ein paar Meter höher zu bauen, um dieses Ulmer Alleinstehungsmerkmal zu erhalten?